Die FDP Fraktion im Kreistag stellt sich nachdrücklich hinter die Idee, einen Nationalpark in Siegen-Wittgenstein gründlich zu prüfen. Sie reagiert damit auch auf die – nicht überraschenden – Bedenken einiger Interessensverbände, die sich kritisch zu dem Vorhaben gestellt haben, und plädiert für Offenheit und vor allem für Zeit. „Veränderungen führen immer auch zu Bedenken und Ablehnung, aber oft lassen sich diese auch schnell ausräumen“, erklärt Fraktionsvorsitzender Guido Müller. „Ich gebe Jägern und Waldbauern recht, eine Entscheidung für oder gegen einen Nationalpark muss nicht – und wird sicher auch nicht – bis Ende März getroffen werden. Wenn wir die vom Land gegebene Bewerbungsfrist nicht halten können, dann muss eben das Land entscheiden, ob es auf uns warten will. Wobei ich mir sicher bin, dass man auf uns warten wird.“ Müller spielt auf die Kreistagssitzung am 15. März an, wo die Entscheidung über eine Bewerbung getroffen werden soll. Aus Sicht der FDP geht aber Gründlichkeit vor Aktionismus. Es wird Zeit, dass die Politik das Handeln übernimmt und zu einem eigenen Fahrplan findet. Und wenn man am Ende nicht den zweiten, aber vielleicht den dritten NRW-Nationalpark in Siegen-Wittgenstein realisiert ist das doch auch ein gutes Ergebnis. Grundsätzlich steht die FDP aber dem Projekt positiv gegenüber.

„Warum nutzt man nicht die Europawahl im Mai und lässt die Menschen vor Ort entscheiden, wie sie in Siegen-Wittgenstein leben möchten? Eine Bürgerentscheidung, statt eine Diskussion in Kammern und Gremien?“, fragt Guido Müller.

Region braucht starke Leuchttürme

Aus Sicht der Liberalen gibt es viele Themen, wo Veränderungen der Region guttun würden – die endliche Realisierung der Route 57, die Planung einer dritten Talsperre, das Artenschutzprojekt Wisente und eben auch ein heimischer Nationalpark. All diese Ideen haben viel miteinander zu tun und sind zugleich Leuchtturmprojekte für Siegen-Wittgenstein, eine Region, die sich zu lange nur auf ihrer wirtschaftlichen Stärke ausgeruht hat, was fatale Auswirkungen leider auch für die Anwerbung externer Fachkräfte hat. Zudem muss man aufpassen, dass auch die jungen Menschen aus der Region in der Region bleiben wollen. Eine attraktive Heimat spielt dabei eben auch eine wichtige Rolle. „Vielleicht sollte man sich trauen, die Menschen der Region direkt zu fragen? Die Flächen, die für den Nationalpark vorgesehen sind, sind allesamt staatliche Flächen. Sie gehören also den Menschen, die hier leben. Ist es dann nicht legitim, dass sie auch darüber entscheiden sollen? Ähnlich argumentieren auch Kreisjägerschaft und NABU, nur kommen die nicht zu einem einheitlichen Ergebnis. Warum nutzt man nicht die Europawahl im Mai und lässt die Menschen vor Ort entscheiden, wie sie in Siegen-Wittgenstein leben möchten? Eine Bürgerentscheidung, statt eine Diskussion in Kammern und Gremien? Ich halte das für legitim“, so Müller pragmatisch.

„Der Nationalpark schränkt die regionale Entwicklung nicht ein, vorausgesetzt man plant ihn gemeinsam und hört sich gegenseitig und mit Wertschätzung zu“, so der ehemalige Abgeordnete und Unternehmer sowie Kreisehrenvorsitzende der Liberalen, Hagen Tschoeltsch.

Lebensqualität in Wirtschaftsregion

Unterstützung erhält er vom ehemaligen FDP-Landtagsabgeordneten und Unternehmer Hagen Tschoeltsch (82), der nun schon seit mehr als 50 Jahren die Politik vor Ort mitgestaltet: „Es liegen ja meist traditional-emotionale oder prozessbezogene Gründe vor, warum man gegen etwas ist. Aber ich wundere mich schon, warum immer gleich massiv komplett geblockt wird. Der Nationalpark schränkt die regionale Entwicklung nicht ein, vorausgesetzt man plant ihn gemeinsam und hört sich gegenseitig und mit Wertschätzung zu. Eine moderne Wirtschaftsregion wird durch ihre Lebensqualität und gelebte Lebenswirklichkeit geprägt. Wenn die Menschen der Region einen Nationalpark wollen, dann ist es Aufgabe der Politik das im Schulterschluss mit den Interessensvertretern intelligent umzusetzen“, verdeutlicht der Kreisehrenvorsitzende der heimischen Liberalen. Da Siegen-Wittgenstein sich als starke Industrieregion gerne mit anderen starken Wirtschaftsregionen vergleicht, lohnt sich beispielsweise ein Blick nach Baden-Württemberg. Dort gibt es den großen Nationalpark im nördlichen Schwarzwald seit genau zehn Jahren und er wird um gleich neun weitere Großschutzgebiete (Biosphären, Naturparke) ergänzt. Auch dort wurde im Vorfeld ähnlich argumentiert. Im Ergebnis sind die Interessen der Industrie und der Umweltschützer dort gut ausbalanciert worden. Störungen der wirtschaftlichen Stärke gab es nicht.